Angststörungen: Differenzialdiagnose

Ängste und Angstsymptome können bei einer Vielzahl an körperlichen und seelischen Erkrankungen auftreten.

Aus diesem Grund muss bei der Diagnose einer Angststörung auch dem differenzialdiagnostischen Prozess eine große Beachtung gegeben werden.

Als mögliche Differenzialdiagnosen kommen dabei sowohl

in Betracht.

Psychische Erkrankungen

Neben den Angststörungen im engeren Sinne können auch verschiedene andere psychische Erkrankungen mit Ängsten oder Angstsymptomen einhergehen. Die wichtigsten psychischen Differenzialdiagnosen werden im folgenden aufgeführt:

Affektive Störungen

Zwangsspektrumsstörungen

Bei sehr vielen Zwangsspektrumstörungen bestehen im Hintergrund ausgeprägte Ängste.

Psychotische Störungen

Im Rahmen von psychotischen Störungen können ebenfalls Ängste mit zum Teil sehr bizarren Inhalten auftreten.

Suchterkrankungen

Komorbid, Symptom oder Folgeerkrankung?

In der Differenzialdiagnose der psychischen Erkrankungen muss jeweils noch unterschieden werden, ob die oben genannten Erkrankungen den Ängsten vorausgegangen sind und die Ängste eventuell als Symptom der oben genannten Grunderkrankung zu sehen sind, ob eine der oben genannten Erkrankung komorbid zur Angststörung aufgetreten ist, oder ob sich eine der oben genannten Erkrankungen als Folge der Angststörung entwickelt hat.

Beachte...

Die oben genannten Erkrankungen können

  • den Ängsten vorausgegangen sein, so dass die Angst eventuell nur ein Symptom der oben genannten Grunderkrankung ist,
  • komorbid zur Angststörung bestehen,
  • sekundär als Folge der Angststörung aufgetreten sein.

Diese Unterteilung ist sowohl in Bezug auf die Diagnose wie auch die Therapie wichtig. Betrachten wir die Unterschiede am Beispiel der Depression:

Angst als Symptom einer Depressiven Störung

Wenn die Depression vorbestanden hat und die Ängste erstmal während einer depressiven Episode aufgetreten sind, wird üblicherweise die Diagnose einer Depressiven Störung (ICD-10 F32 oder F33) gestellt. Die Ängste werden dann als Symptom der depressiven Störung gewertet. Die Therapie richtet ihren Fokus insbesondere auf die Behandlung der Depression, da mit Besserung der depressiven Symptomatik oftmals auch die Angstsymptome nachlassen.

Komorbide Angststörung und Depression

Wenn die Ängste und Depressionen parallel bestehen und beide einen klinisch relevanten Ausprägungsgrad haben, spricht man von einer Komorbidität. Als Diagnose wird dann nach ICD-10 bei einem leichteren Ausprägungsgrad die Angst und depressive Störung, gemischt (ICD-10 F41.2) diagnostiziert. Bei ausgeprägteren depressiven und Angstsymptomen werden entsprechend beide Diagnosen, also zum Beispiel Rezidivierende depressive Störung, ggw. mittelgradige Episode (ICD-10 F33.1) und Agoraphobie mit Panikstörung (ICD-10 F40.01) gestellt. Psychotherapie und Medikamente sollten entsprechend auf beide Krankheitsbereiche ausgerichtet sein.

Depression als Folge der Angststörung

Da Angststörung für die Betroffenen auch zu deutlichen Einschränkungen ihres Selbstwertgefühls, zu Gefühlen der Hilflosigkeit und des Ausgeliefertseins, zu einem sozialem Rückzug, Arbeitsplatz­problemen etc. führen können, kann es im Verlauf der Angststörung auch zum Auftreten von depressiven Symptomen kommen. In diesem Fall ist die Depression als Folge der Angststörung aufgetreten.

Somatische Erkrankungen

Im Folgenden finden Sie eine Übersicht über die häufigsten somatischen Erkrankungen, in deren Rahmen unter anderem auch Ängste bzw. Angstsymptome auftreten können.

Endokrine Störungen

Eine Vielzahl an endokrinen Störungen kann mit Symptomen einer Angststörung einhergehen, wie zum Beispiel

Metabolische Störungen

Neben den oben genannten endokrinen Störungen können auch andere metabolische Störungen zum Auftreten von Angstsymptomen führen, zum Beispiel

Kardiale Erkrankungen

Patienten erleben im Rahmen von Angststörungen sehr häufig auch (psychogene) kardiale Symptome und herzbezogene Ängste, z.B. vor einem Herzinfarkt. Andererseits können auch verschiedene kardiale Erkrankungen zum Auftreten von Angstsymptomen führen, wie z.B.

Pulmonale Erkrankungen

Ähnlich wie bei den kardialen Symptomen können Angststörungen auch eine Vielzahl an pulmonalen Beschwerden hervorrufen, und andererseits gibt es auch wieder verschiedene pulmonale Erkrankungen, die zum Auftreten von Angstsymptomen führen können, wie zum Beispiel:

Neurologische Erkrankungen

Sehr viele neurologische Erkrankungen können mit Angstsymptomen einhergehen, zum Beispiel:

Erkrankungen des Ohres bzw. des Gleichgewichtsorgans

Insbesondere Schwindelsymptome und Unsicherheitsgefühle können auch im Rahmen von Erkrankungen des Ohres bzw. des Gleichgewichtsorgans hervorgerufen weden, wie zum Beispiel:

Infektionskrankheiten

Auch bestimmte Infektionskrankheiten, wie z.B. AIDS, können von Angstsymptomen begleitet werden.

Organmedizinische Zusatzdiagnostik

Beim Neuauftreten einer Angststörung sollten aufgrund der oben genannten Differenzialdiagnosen nach Möglichkeit ergänzend folgende organmedizinische Diagnostik durchgeführt werden:

Weitere Untersuchungen wie z.B. Langzeit- und Belastungs-EKG, Drogenscreening, HIV-Test, Vestibulometrie etc. sind je nach Verdachtsdiagnose sinnvoll bzw. erforderlich.

Medikamenten-Nebenwirkungen und -Wechselwirkungen

Eine sehr große Zahl an Medikamenten kann als Nebenwirkung auch Ängste bzw. Angstsymptome hervorrufen. Aus diesem Grund sollte vor Behandlungsbeginn immer eine genaue Anamnese über die aktuell und zu Beginn der Angstsymptomatik eingenommenen Medikamente erhoben werden.

Aufgrund der Vielzahl an möglichen Medikamenten-Nebenwirkungen und Medikamenten-Wechselwirkungen muss an dieser Stelle auf die entsprechende Fachliteratur verwiesen werden.

Besonders beachtet werden sollten dabei unter anderem auch

Dabei muss immer ein gutes pharmakologische Grundwissen des Therapeuten vorausgesetzt werden, weshalb die Differenzialdiagnose der Angststörungen immer durch entsprechend qualifizierte Ärzte und klinische Psychologen erfolgen sollte.

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