Höhenangst

Die Höhenangst, auch Akrophobie genannt (nicht zu verwechseln mit der Agoraphobie/Platzangst), ist eine der häufigsten so genannten spezifischen Phobien. Therapie, Ursachen und Hintergründe der Höhenangst werden wir im Folgenden genauer betrachten.


Was ist Höhenangst?

Höhenangst

Jeder Mensch hat Ängste, aber bei einer Phobie sind die Ängste um ein Vielfaches stärker und der Situation nicht angemessen.

So kennt vermutlich jeder Mensch einen Anflug von Angst, wenn er von einem 20-stöckigen Hochhaus in die Tiefe schaut.

Ein von Höhenangst betroffener Mensch wäre jedoch so überwältigt von der Angst, dass es ihm kaum gelingen würde auf einen Balkon zu gehen, eine Leiter zu besteigen oder über eine hohe Brücke zu fahren.

Höhenangst Turm

Wenn ein Mensch mit Höhenangst mit einer angstauslösenden Situation konfrontiert wird, dann steigt seine Herzfrequenz und er verspürt ein Herzrasen, die Atmung wird stärker, die Körpertemperatur steigt und es kann zu Schwindel, Übelkeit, Zittern oder Ohnmacht kommen.

Die angstbesetzte Situation wird dabei vom Phobiker als sehr viel bedrohlicher wahrgenommen, als es der Realität entspricht - und sein Körper reagiert entsprechend mit einer Antwort, die typisch ist für eine Bedrohungssituation.

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Auch in Alltagssituation kann die Höhenangst zu deutlichen Einschränkungen führen. So kann es unter Umständen für einen Betroffenen schon unmöglich sein, auf einen Stuhl zu steigen um eine Glühlampe auszutauschen.

Höhenangst beim Gondelbahn-Fahren

Andere Aktivitäten, die mit größeren Höhen verbunden sind, wie z.B. mit einer Gondelbahn zu fahren oder auf einen hohen Turm zu steigen, sind für Menschen mit Höhenangst oftmals unmöglich.

Bei einigen Menschen entwickeln sich neben der Höhenangst auch weitere Ängste, wie z.B. eine Agoraphobie (“Platzangst”) oder auch Panikattacken.

Höhenangst oder Höhenschwindel?

Bevor mit der Behandlung der Höhenangst begonnen wird, sollte zunächst einmal der Unterschied zwischen Höhenangst und Höhenschwindel besprochen werden. Beim Höhenschwindel handelt es sich um ein ganz normales Phänomen, das vermutlich nahezu jeder Mensch kennt.

Höhenangst

Im menschlichen Körper befindet sich eine Vielzahl von Sinnesorganen, die für die Bestimmung unserer aktuellen Position im Raum und für die Ermittlung unserer aktuellen Bewegungsrichtung wichtig sind. Zwischen diesen Sinnesorganen herrscht ein fein abgestimmtes Gleichgewicht, dass leicht gestört werden kann, wie zum Beispiel beim Aufenthalt auf einem schwankenden Boot, beim Rückwärts-Sitzen im Zug oder bei zu viel Alkoholgenuss.

Der Körper reagiert auf diese Störungen mit immer der gleichen Reaktion: Zunächst Schwindel und Unwohlsein, und wenn es ganz schlimm wird, mit Übelkeit und Erbrechen.

Beim Aufenthalt in einer gewissen Höhe bemerken unsere Sinnesorgane ebenfalls, dass irgendetwas “komisch” geworden ist - zum Beispiel melden die Augen beim Blick in eine große Tiefe den Eindruck, dorthinab zu fallen, während gleichzeitig andere Sinnesorgane melden, dass der Körper eigentlich vollkommen ruhig auf dem Boden steht. Unser Gehirn “mag” diese unterschiedlichen Sinneswahrnehmungen zunächst einmal gar nicht und reagiert - vollkommen natürlich - zunächst einmal mit einem mehr oder weniger starken Schwindelgefühl, dem Höhenschwindel.

Dieser Höhenschwindel wäre zunächst einmal nicht besorgniserregend, denn meistens gewöhnt sich der Körper nach einiger Zeit an die neue Situation. Parallel kann jedoch etwas anderes passieren, nämlich das unsere Wahrnehmung und unsere Gedanken und Befürchtungen uns in eine gewisse Falle locken.

Höhenangst: Expositionstraining

Nehmen wir folgendes Beispiel: Ein Wanderer fährt mit einem Sessellift und bemerkt plötzlich einen Höhenschwindel. Innerhalb von Sekundenbruchteilen meldet ihm sein Gehirn “Vorsicht! Gefahr! Es kann etwas Schlimmes passieren!”. Der Körper des Wanderers reagiert jetzt mit der normalen Angstreaktion, indem er Stresshormone ausschüttet, die wiederum seinen Blutdruck erhöhen sowie Puls und Atmung schneller werden lassen.

In dieser Situation kann das Gehirn einen folgenschweren Fehler machen, es kann nämlich die Kombination aus Schwindel, Anstieg des Herzschlags, schneller Atmung usw. als scheinbaren “Beweis” dafür nehmen, dass jetzt wirklich eine gesundheitliche Katastrophe bevorstehen muss - und damit als nächste Reaktion noch mehr Stresshormone ausschütten, welche die körperlichen Symptome immer weiter verstärken.

Der Wanderer in unserem Beispiel gerät jetzt zunehmend in Hilflosigkeit - er sitzt ja gerade im Sessellift, er kann nicht einfach aussteigen, ihm geht es körperlich immer schlechter, die Bergstation erscheint immer weiter entfernt, die Fahrt scheint gar nicht zu Ende zu gehen, “Was passiert, wenn mir jetzt plötzlich die Luft weg bleibt..?”, “Ich komme hier nie wieder raus...”, “Hilfe...!!” - und schon ist aus dem eigentlich “normalen” Höhenschwindel eine ausgeprägte Höhenangst geworden.

Wenn der Wanderer aus unserem Beispiel jetzt das nächste Mal vor einem Sessellift steht, werden ihm sein Körper und sein Gehirn schon im vorab melden: “Vorsicht, dort kommt eine große Bedrohung auf dich zu!” Und die ganz menschliche Konsequenz ist, dass der Wanderer einen großen Bogen um den Sessellift macht und lieber den Weg zu Fuß hinaufsteigt. Nur hat er damit genau den nächsten Schritt zur Entwicklung des Höhenangst eingeleitet, denn sein Kopf hat jetzt gelernt, dass Sessellifte eine Bedrohung sind und sie unbedingt vermieden werden müssen.

Damit könnte eigentlich alles in Ordnung sein, schließlich ist niemand darauf angewiesen, unbedingt Sessellift zu fahren - warum also nicht einfach alle Lifte vermeiden? Das Problem liegt darin, dass die meisten Ängste die Tendenz haben, sich auszubreiten: Zunächst war es die Angst vor dem Sessellift, dann auch vor der Gondelbahn, dann vor dem Fahrstuhl, und plötzlich fühlt sich auch das Zugfahren nicht mehr sicher an... Dies ist der Moment, in dem sich aus der eigentlich harmlosen, ganz natürlichen Angstreaktion eine Angsterkrankung entwickelt hat, die behandelt werden sollte.

Angst vor der Höhe, Angst vor dem Fallen - oder was?

Höhenangst oder Fallangst?

Sehr viele Menschen erleben im Rahmen der Höhenangst nicht die Höhe als das Bedrohliche - vielmehr haben sie eine sehr große Angst vor dem Fallen. Man müsste also korrekterweise eher von einer Fallangst als von einer Höhenangst sprechen.

Woher kommt diese Angst vor dem Fallen?

Expositionstherapie bei Höhenangst

Fast alle Betroffenen, die wir kennen, beschreiben die Symptome ähnlich: Die Angst, durch eine eigene Unvorsichtigkeit, eine kräftigen Windstoß oder etwas ähnliches über das Geländer in die Tiefe zu fallen.

Im Hintergrund steht dabei zumeist weniger eine echte Sorge davor, in die Tiefe zu stürzen, sondern vielmehr die Angst, die Kontrolle zu verlieren und ausgeliefert zu sein. Aus diesem Grund können sich die Betroffenen auch mit den immer wieder genannten “sachlichen Argumenten” die Angst nicht nehmen.

Der gut gemeinte Rat, dass “das Geländer doch stabil” ist, und “Seilbahnen doch sowieso das sicherste Transportmittel” sind, kann die Ängste zumeist nicht mindern - denn den Betroffenen ist diese sachliche Seite durchaus bewusst --- aber wenn ich die Kontrolle über mich selber verlieren könnte, nützt schließlich auch das stabilste Geländer der Welt nichts...

Diese Überlegung ist deswegen wichtig, weil sehr viele Betroffene neben der Höhenangst auch in anderen Situationen, in denen ihnen - zumindest scheinbar - die Kontrolle genommen wird, wie zum Beispiel beim Lift-Fahren, in öffentlichen Verkehrsmitteln oder in großen Menschenmengen, Unwohlsein verspüren.

Und aus diesen Ängsten vor einem Kontrollverlust können sich im Verlauf immer ausgeprägtere Erkrankungen entwickeln:

Erfahrungsberichte

Sebastian (38 J.)* aus Traunstein:
“Meine erste Angstattacke hatte ich mit 20 beim Skifahren, als ich im Sessellift plötzlich das Gefühl hatte, dass mir schwindlig wird, und ich Angst bekommen habe, aus dem Lift zu fallen. Ich habe das ganze zunächst ignoriert und auch fast wieder vergessen, aber irgendwie hat mich beim Liftfahren oder in größeren Höhen seitdem immer so ein komisches Gefühl begleitet.

Ich hatte mich an das unangenehme Gefühl auch schon fast gewöhnt und hätte es auch weiter einfach so hingenommen, wenn ich nicht irgendwann beim Liftfahren plötzlich den blöden Gedanken bekommen hätte, ich könnte ja vielleicht sogar soweit die Kontrolle verlieren, dass ich selbst den Bügel öffne und dann herausfalle. Mir war natürlich einerseits immer klar, dass ich so etwas niemals tun würde - schließlich habe ich es ja auch in der Vergangenheit noch nie getan. Aber die Sorge, dass ich die Kontrolle über mich verlieren könnte, wurde immer größer.

Ganz schlimm wurde es dann, seit ich eigene Kinder habe und mit denen auf dem Berg unterwegs sein wollte. Plötzlich hatte ich weniger Sorge, dass mir selber etwas zustoßen könnte, sondern die blöde Idee, dass ich vielleicht meine Kinder aus dem Lift oder über ein hohes Geländer schubsen könnte.

Das war der Augenblick, an dem ich angefangen habe, an mir selbst zu zweifeln und gedacht habe, dass ich jetzt bestimmt verrückt oder psychotisch werde. Meine Panik wurde immer größer: Was für ein Mensch muss ich wohl sein, wenn ich solche Gedanken habe...?

Erst viel später habe ich dann erfahren, dass ich nicht etwa unter einer Psychose leide, sondern dass meine großen Ängste zum Auftreten von Zwangsgedanken geführt haben. Dies war für mich schon einmal eine große Erleichterung, denn ich hatte bis dahin schon sehr an mir selbst gezweifelt.

In der Therapie habe ich dann schrittweise gelernt, mich wieder in die schwierigen Situationen zu begeben. Zunächst zusammen mit meiner Therapeutin, dann alleine, und schließlich auch wieder mit meinen Kindern. Insgesamt hat das sicher ein gutes Jahr gedauert und mich auch viel Schweiß gekostet, aber das gute Gefühl, jetzt wieder ganz normal mit meinen Kinden unterwegs sein zu können, war die Mühe auf jeden Fall wert.”

Höhenangst: Diagnose

Die Höhenangst wird in der Internationalen Klassifikation der Krankheiten (ICD-10) zu den so genannten Spezifischen Phobien (ICD-10 F40.2) gezählt.

Höhenangst: ICD-11

Die Weltgesundheitsorganisation WHO hat im Juni 2018 die 11. Revision der Internationalen Klassifikation der Krankheiten (engl. International Classification of Diseases) ICD-11 vorgestellt.

In der ICD-11 wird die Höhenangst unter der Codierung ICD-11 6B03 (Spezifische Phobien) geführt.

Wie kann die Höhenangst behandelt werden?

Die Höhenangst kann durch eine Therapie erfolgreich überwunden werden. Viele Menschen mit Höhenangst versuchen jedoch zunächst, ihre Ängste unbewusst selbst zu “behandeln”, indem sie angstauslösende Situationen vermeiden.

Auf der einen Seite erscheint dies Verhalten sinnvoll, da das unangenehme Erleben der Angst vermieden wird - andererseits gibt es aber auch immer wieder unerwartete Situationen, die Angst auslösen, und denen man sich dann “ausgeliefert” fühlt. Des weiteren kommt es leider bei den meisten Menschen gerade durch diese Vermeidung von bestimmten Situationen zu einer immer größeren Ausbreitung der Angst auf vorher nicht angstauslösende Bereiche.

Expositionstraining

Eine effektive Möglichkeit, um die Höhenangst zu behandeln, ist die so genannte Verhaltenstherapie.

Hierbei wird zunächst nach Ursachen für die Erkrankung gesucht und im Anschluss daran auch eine Behandlung direkt am Symptom, in diesem Fall der Angst, durchgeführt.

Im Rahmen der Verhaltenstherapie kann zum Beispiel ein sogenanntes Expositionstraining durchgeführt werden. Dies bedeutet, dass die Betroffenen lernen, wie sie sich bewusst der angstauslösenden Situation aussetzen können - und so lange in der Situation verbleiben können, bis die Angst auf ein gut aushaltbares Niveau abgesunken ist.

Expositionstherapie bei Höhenangst

Grundsätzlich unterscheidet man beim Expositionstraining zwei verschiedene Vorgehensweisen. Die erste Vorgehensweise ist die so genannte Graduierte Exposition. Hierbei wird die Übung mit einer Situation begonnen, welche nur eine geringe Angst auslöst. Wenn die Angst in dieser Situation auf ein erträglichen Maß gesunken ist, erfolgt die Konfrontation mit der nächstschlimmeren Situation.

Die andere Vorgehensweise ist das sogenannte Flooding. Hierbei wird mit der am stärksten angstauslösenden Situation begonnen, meist sind danach die weniger bedrohlichen Situationen nicht mehr angstbesetzt.

Allerdings ist es oft schwer, einen Betroffenen zu der letztgenannten Vorgehensweise zu motivieren, bzw. zu verhindern, dass er die Exposition vor Erreichen des aushaltbaren Niveaus abbricht. Deswegen wird in der Praxis zumeist die graduierte Exposition bevorzugt.

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   • Was ist ein Expositionstraining?

Beratungssstellen in Rosenheim, Traunstein, Miesbach, Wasserburg, München und Salzburg

Adressen für Beratungsstellen für Menschen mit seelischen Erkrankungen wie Depressionen, Ängsten etc., sowie Adressen für Familienberatung, Sozialberatung usw. in den Landkreisen Rosenheim, Traunstein, Miesbach sowie in den benachbarten Regionen finden sie im Kapitel Beratungsstellen:

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